Schriftliches Interview der Co-Studiengangleiterinnen Osteopathie FFHS Zurich, Mia Macdonald und Christina Thomas im Februar 2024

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Das Gesundheitswesen steht vor grossen Herausforderungen: Altern der Bevölkerung, Gesundheitskosten, künstliche Intelligenz...
Welche Rolle spielt die Osteopathie und welche Rolle kann sie in der Zukunft spielen?
Wie äussert sich diese Rolle in der Bildung der Osteopath*innen?

Seit das Gesundheitsberufegesetzt 2020 in Kraft getreten ist, sind Schweizer Osteopath*innen in der Grundversorgung tätig. Wie in anderen Ländern suchen auch in der Schweiz mehr als vier von fünf Osteopathie-Patient*innen eine Behandlung wegen Erkrankungen des Bewegungsapparates auf. Angesichts des prognostizierten Rückgangs der Zahl der Hausärzt*innen in der Schweiz und einer alternden Bevölkerung mit zunehmender Prävalenz von Langzeiterkrankungen, wird es wahrscheinlich zu einer Unterversorgung in der medizinischen Grundversorgung kommen. Osteopath*innen sind darin ausgebildet, Patient*innen zu untersuchen, medizinische Diagnosen zu stellen und Krankheitsbilder zu erkennen, die an andere Spezialis*innen oder Fachärz*innen überwiesen werden müssen. Sie sind in der Primärversorgung ideal platziert, um Patient*innen zuzuweisen. Der direkte Zugang von Patient*innen zur osteopathischen Versorgung könnte daher die geplante Mehrbelastung anderer Gesundheitsberufe durch die ambulante Versorgung verringern.

Wie äussert sich diese Rolle in der Bildung der Osteopath*innen? Was sind die Besonderheiten des Studienganges der FFHS ZH:

Das Studium an der FFHS kombiniert das Beste aus verschiedenen Welten der Methodik und Hochschuldidaktik. Der hohe Anteil des Präsenzunterrichts ermöglicht eine fundierte Ausbildung der manuellen Fertigkeiten, wie auch den therapeutischen Beziehungsaufbau, welcher mit Schauspielenden geübt wird, oder den klinischen Untersuchungstechniken, welche den Studierenden ermöglichen, eine osteopathische Triage durchzuführen und die Vitalzeichen von Patient*innen korrekt einzuschätzen. Jederzeit orientiert sich das Studium an den Empfehlungen des Principal Relevant Objectives and Framework for Integrative Learning and Education in Switzerland (PROFILES) um die Kriterien des Gesundheitsberufegesetzes zu erfüllen.

Neben den praktischen Fertigkeiten wird die Theorie in einer Kombination von Flipped Classroom und Blended Learning durch die Studierenden erarbeitet. Die Dozierenden sollten also eigentlich Lerncoaches heissen, da sie nicht dozieren, sondern die Studierenden mit ihrer Erfahrung aus der Berufswelt in ihrem Lernprozess unterstützen (was etwas problematisch sein kann, da unsere Studierenden ja trotzdem auch ganz konkret etwas von ihnen doziert haben möchten).

Aktuell ist das Studium nur in Vollzeit möglich. Dies entspricht einem Aufwand inklusive Präsenzveranstaltungen von 40-45h pro Woche[1]. Da nur zweieinhalb Tage pro Woche fix mit Präsenzlektionen belegt sind, können unsere Studierenden ihren Lernalltag sehr flexibel gestalten. Wir empfehlen jedoch eine maximale Berufstätigkeit von 20%.

Wir haben bereits die Rolle der Osteopath*innen von morgen im Gesundheitssystem erwähnt, sowie ihre Äusserung im Bereich der Bildung der Osteopath*innen generell. Wie äussert sich diese Rolle bereits sich an der FFHS ZH und wie könnte sie sich in Zukunft äussern?

Die FFHS sieht die Notwendigkeit alle ihre Studierenden optimal auf die Zukunft vorzubereiten. Dadurch das die FFHS in ihrer Grösse sehr agil unterwegs sein kann, optimieren wir unsere Studiengänge laufend.
Im Studiengang Osteopathie wird den Empfehlungen der PROFILES Folge geleistet. Die PROFILES bieten einen konzeptionellen Rahmen mit klinischen, gesundheitspolitischen und ethischen Situationen, die eine Brücke zwischen den Disziplinen bilden, und umfassen eine Reihe integrierter Kompetenzen und Fertigkeiten in Form von anvertrauten beruflichen Tätigkeiten, die neue Lernmethoden und allgemein ein höheres Niveau der medizinischen Ausbildung fördern. Dies bedeutet nicht, dass die Grundlagenwissenschaften und die spezifischen fachbezogenen Ziele nicht mehr gelehrt werden, sondern dass sie von den Studierenden im Rahmen eines integrierten Ansatzes erlernt werden sollten, der der Realität der medizinischen Praxis der Erstversorgung entspricht. Somit werden unsere Studierenden optimal darauf vorbereitet die ambulante medizinisch-gesundheitliche Grundversorgung in der Schweiz zu unterstützen und können dadurch andere Fachpersonen und Institutionen entlasten.

Aktuell sind 40% der in der Schweiz tätigen Osteopath*innen über 40 Jahre alt und verteilen sich sprachlich auf 21% Deutsch und 79% Französisch. Welchen Einfluss auf diesen Altersdurchschnitt und dieser Sprachverteilung messen Sie dem Angebot eines zweiten Studienganges der Osteopathie in der Schweiz bei?

Der Studiengang Osteopathie an der FFHS ist durch die Unterstützung des Berufsverbandes entstanden. Schon 2018 hat der damalige Präsident der IKOG-NOWZ erkannt, dass das Berufsfeld mehr Nachwuchs benötigt. Seine Mission wurde unterstützt durch das SwissOsteoSurvey, welches bestätigen konnte, dass im Schnitt zwar ca. 10 Osteopath*innen pro 100'000 Einwohner*innen vorhanden sind, sie jedoch sehr ungleichmässig mit einem Verhältnis von 4:1 Osteopath*innen in der frankophonen Schweiz verteilt sind. Die Wartezeiten, von mehr als acht Tagen, der meisten Patient*innen in Deutschschweizer Kantonen waren dementsprechend deutlich höher als in den Französischen. Somit wurde die Arbeitsgruppe Master Deutschschweiz durch Steffen Müller gegründet und konnte schlussendlich in Zusammenarbeit mit Prof Dr Sonja Kahlmeier von der FFHS, den Studiengang Osteopathie an die FFHS bringen.

Teil der Mission der FFHS ZH ist die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Inwiefern trägt die Aufnahme der Osteopathie im Gesundheitsberufegesetz im Februar 2020 zur Erfüllung dieser Mission bei?

Durch die Aufnahme ins Gesundheitsberufegesetz ist es den Ostepath*innen nach dem Master an der FFHS mit 120 ECTS direkt möglich am Doktoratsprogram Care and Rehabilitation Sciences der medizinischen Fakultät der Universität teilzunehmen. Zudem bietet die FFHS in naher Zukunft einen akademischen Anpassungslehrgang für GDK-Osteopath*innen an, welche eine wissenschaftliche Karriere anstreben. Somit werden Berufseinsteiger*innen, wie auch erfahrene Osteopath*innen die Möglichkeit erhalten, die Wissenschaftlichkeit und das Verständnis dafür auszubauen.

Gemäss unseren Nachforschungen bewerben sich pro Studiengang in Fribourg zwischen 200 und 300 Kandidat*innen für 30 Studienplätze. Wie sieht das in Zürich aus? Inwiefern ist eine Erhöhung der Anzahl Studienplätze wünschenswert, möglich, geplant?

In den letzten zwei Jahren, die gleichzeitig auch unsere ersten zwei Jahre waren, hatten wir noch keine 200 Kandidat*innen, allerdings immer deutlich mehr als Studienplätze. Darunter waren Personen verschiedener Lebenswege. Wir haben Gymnasiasti*innen, Kaufmännische Angestellte, Physiotherapeut*innen wie auch Ärzt*innen, welche bei uns schlussendlich das Studium beginnen konnten. Das Durchschnittsalter beträgt 23 Jahre. Nach dem Studium werden die zukünftigen Osteopath*innen also noch lange in der Gesundheitsversorgung der Schweiz arbeiten können.

Auch wenn nur ein kleinerer Teil der Kandidierenden zum Studium zugelassen wurden, mussten wir im strengen Selektionsprozess keine Eingeständnisse machen. Es scheint also, dass die FFHS die richtigen Personen anzieht. Wenn die Nachfrage in Zukunft steigt, besteht auch die Möglichkeit die Studienplätze zu erhöhen. Wir konzentrieren uns jedoch auf die Qualität und nicht die Quantität der Studierenden.

Die FFHS ZH bietet den Studiengang der Osteopathie seit 2023 an. Es gibt somit schweizweit zwei Studiengänge der Osteopathie. Für ein definitives Fazit zu den Auswirkungen des Studienganges in der Deutschschweiz auf den Beruf der Osteopathie und die auf die Anzahl (zukünftiger) Osteopath*innen ist es sicher zu früh; Vielleicht können Sie uns jedoch Ihre ersten Gedanken dazu liefern?

Auf Grund der demographischen Daten, welche wir aus dem SuissOsteoSurvey haben, wird es rund 20 Jahre dauern, bis eine «Überalterung» des Berufsstandes eintritt und wir eine starke Reduktion der Anzahl Osteopath*innen bemerken werden.

Um die aktuelle Anzahl von Osteopath*innen zu erhalten, müssen in der Schweiz über die nächsten 20 Jahre also mindestens 33 Osteopath*innen pro Jahr ausgebildet werden. An der Hochschule für Gesundheit Fribourg werden seit 2014 30 Studierende pro Jahrgang aufgenommen. Die ersten rund 20 Absolvierenden haben den Studiengang 2019 abgeschlossen. Wie in anderen Gesundheitsberufen nimmt die Anzahl Frauen stetig zu. Dies wird einen Effekt auf die zukünftige Deckung der Nachfrage nach Behandlungen haben, da Osteopathinnen ca. 30% weniger arbeiten als ihre männlichen Kollegen. Wenn man daran denkt, dass es auch Osteopath*innen gibt, die nicht bis zur Pensionierung arbeiten und dass die Schweizer Bevölkerung bis 2025 auf ca. 9 Mio. ansteigt, sehen wir, dass die aktuelle Zahl der neu Ausgebildeten nicht ausreichend ist. Unter Berücksichtigung der oben genannten Punkte, können wir schätzungsweise von einem Bedarf von 40-80 neuen Osteopath*innen pro Jahr ausgehen. Mit den zwei Ausbildungsstandorten sind wir also abgesichert für die Zukunft.

Auf den ersten Blick unterscheiden sich die Studienmodelle der Studiengänge der Osteopathie der zwei Fachhochschulen: Blended learning, 60% Selbststudium auf einer Online-Plattform, 40% Präsenzunterricht (zwei Tage pro Woche, davon ein Tag praktischer Unterricht), ausschliesslich auf deutsch an der FFHS ZH; Zweisprachiger Studiengang im Präsenzunterricht, praktische und klinische Ausbildung in Praxen und Gesundheitseinrichtungen, an der HEdS FR. Welches Synergiepotential zwischen den beiden Studiengängen sehen Sie dennoch?

Wie bei anderen Gesundheitsberufen unterscheiden sich die Foki und die methodisch-hochschuldidaktische Herangehensweise verschiedener Fachhochschulen. Durch die schweizerische Agentur für Akkreditierung und Qualitätssicherung (AAQ) wird die Qualität von Lehre und Forschung an den Hochschulen in der Schweiz gesichert und gefördert. Die AAQ sorgt als unabhängige Agentur dafür, dass die strengen Richtlinien des Gesundheitsberufegesetzes für die Ausbildung von Osteopath*innen in der Schweiz eingehalten werden. Beide Hochschulen müssen auf allfällige Empfehlungen der AAQ eingehen. Dies stellt sicher, dass der Abschluss beider Hochschulen gleich anerkannt wird. Interessierte Personen müssen sich also um die Anerkennung beider Institutionen keine Sorge machen.

Interessent*innen dürfen sich somit auf viel wichtigere Themen konzentrieren:

  • In welcher Sprache möchte ich lernen?

Der grösste Teil des Unterrichts der FFHS findet auf Deutsch statt. Für das Wissenschaftliche Arbeiten, wie auch für die Osteopathische Geschichte und Philosophie sind jedoch gute Englischkenntnisse notwendig. Teils findet der Präsenzunterricht dort auch auf Englisch statt.

  • An welchem Standort möchte ich lernen?

Durch unseren Standort in der Gleisarena Zürich, welche zwei Minuten vom Hauptbahnhof Zürich entfernt ist, sind wir für Studierende aus der ganzen Schweiz einfach erreichbar.

  • Welches Studienmodell passt mir besser?

Die FFHS setzt durch ihren Fokus auf Blended Learning und Flipped Classroom auf modernstes Equipment und technische Ausrüstung. Dies ermöglicht es den Studierenden auch von zuhause aus optimale Lernergebnisse zu erzielen, wenn sie auf der online-Plattform Moodle Aufgaben erledigen.

Die Hälfte des Selbststudiums können die Studierenden an der FFHS flexibel gestalten und führen dazu ein Portfolio, welches ihnen ermöglicht ihren Lernfortschritt über die verschiedenen Jahre zu visualisieren. Für den praktischen Unterricht sind wir selbstverständlich mit modernem medizinischem und osteopathischem Material und Behandlungsbänken ausgerüstet. Die Anatomie wird mit 3D Programmen im Klassenraum oder auf eigenen smart devices visualisiert und kann direkt im Unterricht genutzt werden.

Was ist Ihr Fazit am Ende des ersten Lehrgangjahres?

Wir sind nach Abschluss der Semesterprüfungen mit dem Kenntniszuwachs unserer Studierenden sehr zufrieden. Es ist schön, zu beobachten wie sich ihnen die osteopathische Denk- und Handlungsweise langsam erschliesst. Auch die Unterstützung innerhalb der FFHS ist enorm. Alle helfen uns, dieses herausfordernde Studium umsetzen zu können. Die Möglichkeiten zu haben, in und mit einem grosse Dozierendenteam alle Facetten der Osteopathie abdecken zu können trägt auch zur Weiterentwicklung eines jeden Einzelnen bei. Insofern ist es ein stetiges Geben und Nehmen und damit in sich sehr osteopathisch.

Wir freuen uns tagtäglich über die vielen kleinen und grossen Schritte, die wir alle miteinander machen und haben das Ziel, den 31.01.2028 mit dem MSc Abschluss unseres ersten Jahrganges fest im Auge. An dieser Stelle auch ein herzliches Dankeschön an alle uns unterstützenden Kolleg*innen und natürlich besonders an den Vorstand des SVOs.



Christina Thomas, D.O
Co-Studiengangsleiterin
Osteopathin

Christina Thomas ist seit Juli 2021 Co-Studiengangsleiterin des BSc & MSc in Osteopathie an der FFHS, nachdem sie vorher 2 Jahre als Projektleiterin für die Implementierung des Studienganges BSc & MSc an der FFHS gearbeitet hat. Sie arbeitet seit fast 30 Jahren als Osteopathin davon 22 Jahren davon in eigener Praxis im Zürcher Oberland zusammen mit ihrem Mann. Der Schwerpunkt ihrer Arbeit ist die Behandlung von (Leistungs-)Sportler:innen und von Kindern und deren Müttern. Ihre DO Arbeit hat sie im Jahre 2000 zum Thema «Des Einflusses der osteopathischen Behandlung bei menstrueller Migräne» geschrieben. Sie war 3 Jahre lang Herausgeberin der Deutschen Zeitschrift für Osteopathie. Und für über 10 Jahre Präsidentin der IKOG NOWZ, sowie Mitglied in unterschiedlichen Ausschüssen des SVOs.

Die Hauptmotivation für ihre Tätigkeit als Studiengangsleiterin ist das vorhandene Wissen von vielen hervorragend arbeitenden Kollegen in den nächsten Jahren an eine neue Generation von Osteopath*innen weitergeben zu lassen und diese zu einer verantwortungsvollen Gesundheitsfachperson auszubilden.

Mia Macdonald, M. Ost.
Co-Studiengangsleiterin
Osteopathin

Mia Macdonald (sie/ihr) ist seit Juli 2021 Co-Studiengangsleiterin des BSc & MSc in Osteopathie an der FFHS. Sie hat ein besonderes Interesse an den biopsychosozialen Aspekten des Gesundheitswesens, dem Management von anhaltenden Schmerzen und der Frauenheilkunde. Ihre Forschung konzentriert sich auf quantitative Methoden und elektronische Datenerfassung. Vor der FFHS erhielt Mia Macdonald 2016 den Master of Osteopathy (M.Ost) mit Auszeichnung von der University of Bedfordshire (UK). Nach dem Abschluss begann sie ihre Arbeit als praktizierende Osteopathin und als Wissenschaftliche Mitarbeiterin für die Forschungseinheit URM der Hochschule für Gesundheit Fribourg (HEdS-FR). Sie konnte dort in Zusammenarbeit mit der Swiss Osteopathy Science Foundation (SOSF) und dem Schweizerischen Verband der Osteopathie (SwissOsteo) für die Projekte SwissOsteoSurvey und OsteoCOVID-19 forschen. Als Dozentin in der Forschung und mit der Betreuung der Masterthesis von Studierenden des MSc in Osteopathie konnte Mia Macdonald weitere Erfahrung in der Lehre aufbauen und absolvierte 2021 ein CAS in Hochschuldidaktik an der Pädagogischen Hochschule Zürich.

Ihre Hauptmotivation für diese vielfältigen Aufgaben ist die Möglichkeit, den Fortschritt der Studierenden in der Entwicklung von kritischem Denken und Selbstentwicklung zu fördern.


[1] 40 % des Gesamtaufwandes pro ECTS Punkt findet im Präsenzunterricht statt –1 ECTS entspricht 30h aufwand – der BSc hat 180 ETCS also 5400h Aufwand – dementsprechend finden 2160 Stunden des BSc im Präsenzunterricht statt.

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